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Café Temelin: 25 (twentyfive) Hüsle Tour 2005

Café Temelín (lebt und) erobert den Westen, äh Österreichs. Zwei Jahre nach der herbstlichen Tour durch die nördlichen Gefilde der Republik rappelt sich das Café erneut zu einem Besuch der Provinz auf. Und erreicht am 31. August auch Hohenems.

Café Temelin startet dort, wo im Jahre 2003 die Tour logisch zu einem Ende gebracht wurde: vor dem Haus der Heimat in Wien; dem Zentrum der Berufsvertriebenen Österreichs, Sitz der Sudetendeutschen Landsmannschaft Österreichs (SLÖ), Dreh- und Angelpunkt einer geschichts-revisionistischen Landschaft.

Von Wien aus bewegt sich Café Temelín durch die Bundesländer ins Ländle. Zu Besuch beim Transmitter Festival in Hohenems wird die Tour zu ihrem aktionistisch-antinationalen oder radikal-ästhetischen Höhepunkt geleitet.

Zuvor macht das Café – unterwegs als Schnelle Eingreiftruppe (SET) - Halt in ausgewählten Ortschaften, besichtigt auf der Strecke Häuser. Fünfundzwanzig an der Zahl.

25 (twentyfive)

Das so genannte Jubiläumsjahr hat mit der Eventreihe 25 peaces ihren dilletantischen wie grausig geschichtspolitischen Rahmen abgesteckt. Dafür verantwortlich zeichnet u.a. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel.

Auch wenn derart lachhafte Events keiner Aufwertung anheim fallen sollten, sieht Café Temelín jene offiziösen Angelegenheiten nebst Feierlichkeiten während des Jahres gerade hinsichtlich des ohnehin seit Jahren existenten strukturellen Geschichtsrevisionismus als einen Bereich, der zu diskutieren ist.

Abseits von Empörung und Sauberkeitsdiskursen – Café Temelín erwartet und fordert nichts vom österreichischen Alltagswahnsinn – bestreitet die aktionistische Tour die Zahl 25 und darüber hinaus inhaltliche Themenfelder wie rechtsextreme Geschichtsschreibung – Geschichtsrevisionismus, österreichische NS-TäterInnen, Kontinuität des Antisemitismus oder Gestalt und Möglichkeit kritischer Geschichtsarbeit.

Fünfundzwanzig aber auch, weil vor ebenso vielen Jahren Vorarlberger und Voralbergerinnen darüber abstimmten, ob das Ländle Teilchen von Österreich bleibt oder zukünftig mit "mehr Rechten" ausgestattet werden solle. Die Abstimmung wurde damals maßgeblich von einem Altnazi und hohen Nachkriegsbeamten namens Elmar Grabherr mitinitiiert.

Grabherr erdachte als Landesbeamter der Nachkriegszeit so geistreiche Ideen wie den so genannten Alemannenerlass, mit dem geregelt werden sollte, dass ausschließlich dialektsprechende Menschen zu Beamtenehren gelangen dürfen.

Hüsle

Ohne die Schattenseiten zu vergessen, wollen wir uns an den beinahe unglaublichen Aufbruch in eine neue Zeit erinnern. Lassen wir uns im Jubiläumsjahr von diesem Aufbruchwillen, vom Optimismus der Aufbauzeit anstecken! (LH Sausgruber; ÖVP)

Café Temelín entdeckt die Häuslichkeit. Eigenheim und Hüsle. Aufbruch, Aufbau und Wille zum Mythos Nachkriegswunder. Aber auch dem Abbruch und Niedergang soll gedacht sein. 25 Häuser wird sich das Café vorknöpfen.

Baue, wo du stehst! Ganz im Sinne jener modifizierten Devise einer Geschichtsschreibung soll Eigenmächtigkeit, Raumnehmung und kritische Bestandsaufnahme von Besitzverhältnissen, Denken von Räumlichkeit abseits des Eigenheims (plus Thuje) angeleiert werden. Wo vom Osten bis zum weiten Westen der kleinen Republik autonome und emanzipatorische Räume - vom EKH bis hin zum AJZ Konkret - gestorben werden, können Formen von eigener Bautätigkeit - mit viel Beton selbstredend - erklärend wirken.

Das Café Temelín fordert schließlich immer noch Räume und Raum für alle, die sich mit dem sexistischen, rassistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Alltag nicht arrangieren wollen.

Tour

Das Haus der Heimat steht als Hüsle, als Revisionisten-Hütte, am Anfang. Weitere Häuser werden mit einem Besuch bedacht.

In Altmünster in Oberösterreich, am Ufer des schönen Traunsees, steht etwa das Geburtshaus eines Franz Stangl. Als hochrangiger Organisator der so genannten Euthanasie (Aktion T4) während des NS-Regimes und als Lagerkommandant der Vernichtungslager Treblinka und Sobibor war er maßgeblich am millionenfachen Morden beteiligt. Bis in die Sechziger Jahre lebte und arbeitete Franz Stangl unbehelligt in Südamerika. Bis heute ist er - oh Wunder - eine Unbekannte in Österreichs Erinnerungskultur.

Kirchberg am Wechsel: Geburts- und Todes-Haus eines Norbert Burger. Vor 25 Jahren kandidierte der Rechtsextremist Burger bei den Präsidentschaftswahlen. Er erhielt 140.741 Stimmen.

In Hohenems stoppt das Café Temelín zur Zwischenpräsentation und End-Action. Das Café nimmt sich erneut Zeit, aktionistisch erbaulich Bereiche der Geschichtspolitik, der Häuslichkeit, der heimatlichen Abscheulichkeiten oder des Nationalismus zu erklären.

Grabherr, wo du stehst!

1. September 2005

Die Café Temelín-Crew bezieht am Ortseingang Stellung, bereitet den FestivalbesucherInnen einen Empfang. In einer Prozession geht es zur Tennishalle, dem Austragungsort diverser Kulturangebote, der Tross hält aber vor den Toren Ballhallas.

In einer performativen Aktion wird dort ein Loch gehoben. Es gilt zu verdeutlichen, wie weit eine österreichische Geschichtskultur von einem kritischen Umgang mit der eigenen Geschichte entfernt ist. Deshalb gräbt Café Temelín dieses eine Mal ein Loch, nur um zu verdeutlichen, wie falsch es ist von Aufarbeitung zu schwadronieren, wenn kritische Geschichtsarbeit geleistet werden will.

Allzu oft heißt Aufarbeitung nicht viel mehr als ein als aufgezwungen phantasiertes Abarbeiten, quasi mit der Schaufel in der Hand. Wer also von Aufarbeitung spricht, mag oft nur die nationale Sauberkeit oder eine lästige Pflichterfüllung im Sinne führen.

Aus dem Loch steigen personifizierte Gestalten einer vorarlberg'schen Vergangenheit. Die Liste der ans Licht gezerrten reicht von Elmar Grabherr bis hin zu Irmfried Eberl. Ein österreichischer Kommandant eines Vernichtungslagers? Ein hoher Altnazi als Nachkriegsbeamter? Gibt es so was?

Begleitet wird Grabherr wo du stehst von einem Chor der Walküren, die Schnelle Eingreiftruppe (SET) lauert.

2. September 2005

Zum Abschluss der Tour kehrt das Café Temelín zu seinen kommunikativen Wurzeln aus dem Jahre 2003 zurück und errichtet einen Raum des Gesprächs im Zentrum von Hohenems.

In gemütlicher Atmosphäre - bei Kaffee und Kuchen - werden BesucherInnen an einer Multimediaschrankwand der aufregenden 25 Hüsle Tour 2005 nachgehen.

Dort bringt das Café den zahlungsfrohen WestösterreicherInnen Werbeartikel oder auch Informationsmaterial zur Geschichte der Sudetendeutschen, der Landsmannschaften oder des so genannten "Geschichtsrevisionismus" näher. Schließlich wird die mitgeführte Schrankwand, als Symbol der verwerflichen Häuslichkeit, zerkleinert. Die Mischmaschine läuft nebenbei.