Minus 2005 auf der Diagonale
- Filmprogramm: 16 Uhr KIZ
- Diskussion: 18 Uhr - KIZ Spiegelsaal (1. Stock)
- Im Anschluss (20 Uhr): Vortrag von Günther Jacob.
Hvala Partizanke! Warum fehlt die Position der PartisanInnen im audiovisuellen Gedächtnis der zweiten Republik?
...präsentiert von der Filmgruppe im Rahmen der Aktionsplattform "Österreich 2005: Das Vorsorge-Paket gegen ein Jahr Heimat-Feiern": Anja Salomonowitz, Bady Minck, Tina Leisch (kinoki), Peter Grabher (kinoki) und Ljubomir Bratic
Filmprogramm
Mi., 16.3., 16 Uhr KIZ
- Deutschland erwache
D/USA 1945, Beta SP, Schwarzweiß, 23 Min., deutsche Fassung Produktion: US-Signal Corps
"Amtlicher Film Misc. 1208 Kriegsministerium. Ein Tatsachenbericht zusammengestellt aus offiziellen Filmen von der Filmdienststelle der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika."
Deutschland erwache gehört zu den Filmen, die unmittelbar nach der Niederlage des "Dritten Reiches" im Rahmen der sogenannten Re-Education produziert wurden, um die deutsche und österreichische Bevölkerung mit ihren Verbrechen zu konfrontieren. Der Film, der bereits ab Mai 1945 gefangenen Wehrmachtssoldaten gezeigt wurde, zeigt Bilder aus den befreiten Konzentrationslagern und von zerstörten Städten und wendet sich im Off-Kommentar direkt und schroff an seine Adressaten: "Die alliierten Generäle haben angeordnet, daß diese Greuel der deutschen Zivilbevölkerung gezeigt werden sollen, damit alle Deutschen sich davon überzeugen können, wie die Nazis gehaust haben. Aus dem selben Grunde zeigen wir euch diesen offiziellen Film. Wir zeigen euch diese Wagenladung voller Toten, sodaß ihr sie nie vergessen sollt. (...) Wir wissen, daß unter euch Männer sitzen, die uns heute zwar erzählen wollen, nie Nazis gewesen zu sein, die sich in Wirklichkeit aber nicht geändert haben und heute noch an Hitlers Theorien festhalten."
Einleitung
Thomas Tode, Filmemacher und Filmwissenschaftler, Hamburg
- Slavica
Jugoslawien 1947, 35 mm, Schwarzweiß, 94 Min., Originalfassung, deutsche Übersetzung live eingesprochen. Regie: Vjekoslav Afric. Drehbuch: Vjekoslav Afric. Produktion: Avala Film Beograd. Musik: Silvije Bombardeli. Schnitt: Maja Ribar, Dusan Aleksic. DarstellerInnen: Irena Kolesar, Dubravko Dujsin, Marjan Lovric, Carka. Jovanovic, Ljubisa Jovanovic, Jozo Laurencic, Boza Nikolic, Ivka Rutic, Dejan Dubajic, Joza Rutic, Predrag Milanov, u. v. a.
Slavica war die erste jugoslawische Spielfilm-Produktion nach 1945. Vjekoslav Afric (Hvar 1906 - Split 1980) drehte den Film mit bescheidenen Mitteln und fast ausschließlich mit LaiendarstellerInnen, die selbst bei den PartisanInnen gewesen waren. Irena Kolesar, die Darstellerin von Slavica, stammte aus einer linken Familie und war Friseurgehilfin gewesen, bevor sie sich 1943 den PartisanInnen anschloss und beim "Theater der Volksbefreiung" Schauspielerin wurde. Titelgebende Hauptfigur des Films ist die Partisanin Slavica, die mit Marin und einer Gruppe von der Fischerei-Kooperative ein gerade gebautes Fischerboot vor den italienischen Besatzern versteckt. Sie werden entdeckt und gefangen genommen, doch die Partisanen befreien sie. In der Folge nehmen sie an einer Reihe von deren Aktionen teil. Slavica stirbt schließlich in einer Seeschlacht und ihr Schiff, eines der ersten der jugoslawischen Kriegsflotte, wird nach ihr benannt...
"Bemerkenswert ist, dass der Held des Films nicht John Wayne oder Humphrey Bogart ist, sondern eine Frau. Dies weist deutlich darauf hin, dass der Zweite Weltkrieg ein Krieg war, in dem alle Jugoslawen und Jugoslawinnen kämpften, Männer wie Frauen. Ideologisch reflektiert diese Realität einen Teil des Reizes des Neuen Jugoslawien unter kommunistischer Führung, welcher eine klassenlose Gesellschaft auf der Basis der Gleichheit der Geschlechter versprach." (Andrew Horton)
Einleitung
Daniel Rafaelic, Filmhistoriker und -archivar / Kroatische Kinemathek, Zagreb
Gespräch
Mi 18 Uhr - KIZ Spiegelsaal (1. Stock)
Hvala Partizanke!
- Lipej Kolenik, Partisan und Autor
- Daniel Rafaelic, Filmhistoriker und -archivar / Kroatische Kinemathek, Zagreb
- Thomas Tode (Filmemacher und Filmwissenschaftler, Hamburg)
- Günther Jacob (Publizist, Hamburg)
- Anja Salomonowitz (Filmemacherin, Wien)
- Tina Leisch (Film-, Text-und Theaterarbeiterin, Wien)
Vortrag
Mi 20 Uhr - KIZ Spiegelsaal (1. Stock)
Die Zukunft der Vergangenheitsbewältigung. Über die symbolische Sanierung Österreichs im Jubiläumsjahr
Von Günther Jacob (Publizist, Hamburg)
Hintergrund
60 Jahre Republik, 50 Jahre Staatsvertrag und 10 Jahre EU-Mitgliedschaft: das ist das Programm des Jubiläumsjahrs 2005. Die relativierende Ballung der Jubiläen lässt vermuten, dass es sich um ein konzertiertes revisionistisches Unternehmen handelt. Eine Verschärfung der Verzerrung der österreichischen Nachkriegsgeschichte, ein noch radikalerer Schub an Chauvinismus, österreichischem Opfermythos und Nationalismen. Wird jetzt die Tatsache der Befreiung der Opfer des Nationalsozialismus durch Alliierte und PartisanInnen und ihre Würdigung zusehends ersetzt durch die ebenso falsche wie scheinheilig-selbstmitleidige Behauptung, Österreich als Ganzes wäre Opfer des Nationalsozialismus und gar erst 1955 befreit worden? Bereits das 70jährige Jubiläum des Februar 1934 hat gezeigt: Anstelle einer umfangreichen Debatte über den Austrofaschismus und seine Kontinuitäten bis in die Gegenwart wurde der Diskurs in Politik, Medien und Gesellschaft nach rechts verschoben. Hier sind nachhaltige Effekte zweier Perioden der Bundesregierung von ÖVP und FPÖ zu erkennen, die in den Jahren seit 2000 eine weitgehende Verschränkung von neoliberalen und autoritär-nationalistischen Tendenzen in Gang gebracht hat. Das Jubeljahr 2005 ist ein weiterer Höhepunkt in der hegemonialen Verankerung dieser Politik. (Aktionsplattform Österreich 2005: Das Vorsorge-Paket gegen ein Jahr Heimat-Feiern)
Unser filmischer Beitrag zum Jubiläumsjahr 2005 konzentriert sich auf Themen und Bilder, die nicht in die offizielle Geschichtsschreibung und in das audiovisuelle Gedächtnis der Republik eingegangen sind. Während das österreichische Mainstream-Kino den Opfermythos bebilderte und eine heimatliche Traumwelt projizierte, in der sich die affektiven Besetzungen der NS-Zeit diskret erhalten konnten, finden sich nur wenige Filme über Opfer und Täter des Nationalsozialismus, über die nur exemplarisch stattgehabte Entnazifizierung, über die Kontinuität der NS-Eliten und über erste Klassenauseinandersetzungen wie den Oktoberstreik 1950. Die Erzählungen der vertriebenen Jüdinnen und Juden, der "Displaced Persons", der ZwangsarbeiterInnen, der PartisanInnen und WiderstandskämpferInnen wurde weitgehend zum Verschwinden gebracht. Nicht ein großer Film über Mauthausen. Unser Programm möchte exemplarisch einige dieser Lücken thematisieren und Filme präsentieren, die trotzdem entstanden, wenn auch nicht in Österreich, sondern in Jugoslawien und den USA. Nach 1945 produzierten die Alliierten Filme, die der "Re-Education", der demokratischen und antifaschistischen "Umerziehung" dienten und die deutsche und österreichische Bevölkerung zunächst mit Bildern aus den befreiten Konzentrationslagern konfrontierten um sie von ihrer Schuld am Aufstieg des Nationalsozialismus und an der Shoah zu überzeugen. Bekannte Regisseure wie Billy Wilder, Joseph von Sternberg, Henri Cartier-Bresson oder Alexander Hackenschmied wirkten an diesen Filmen mit, die in Österreich nur bis 1947 gezeigt wurden. Deutschland erwache (D/USA 1945) ist ein besonders eindrückliches Beispiel des Genres. Der Beginn des Kalten Krieges bedeutete das Ende solcher Entnazifizierungsversuche. Die Shoah wurde zunehmend verdrängt, alle Parlamentsparteien buhlten vor den Wahlen von 1949 um die Stimmen der ehemaligen NSDAP-Mitglieder.
1943 hatten die Alliierten in der Moskauer Deklaration einen eigenständigen Beitrag Österreichs zu seiner Befreiung zur Bedingung für eine spätere Eigenstaatlichkeit gemacht. Darin hieß es: "Österreich wird aber auch daran erinnert, dass es für die Teilnahme am Kriege an der Seite Hitler-Deutschlands eine Verantwortung trägt, der es nicht entrinnen kann, und daß anlässlich der endgültigen Abrechnung Bedachtnahme darauf, wieviel es selbst zu seiner Befreiung beigetragen haben wird, unvermeidlich sein wird." Den zahlenmäßig und militärisch bedeutendsten Widerstand leisteten die Kärntner slowenischen PartisanInnen. Ihr Kampf wurde als der von den Alliierten geforderte eigene Beitrag zur Befreiung gewertet, und damit zu einer entscheidenden Grundlage für das Zustandekommen des Staatsvertrags 1955. Trotzdem überging die Geschichtsschreibung der Zweiten Republik systematisch die PartisanInnen.
Und weil die Geschichte in Österreich nicht aus der Sicht der PartisanInnen erzählt wird, gibt es dazu auch kaum österreichische Filme. Um die ausgeschlossene Perspektive der PartisanInnen zu repräsentieren, zeigen wir Slavica (Jugoslawien 1947), den ersten "Partisanen-Film" Jugoslawiens, wo die Erinnerung an den bewaffneten Kampf gegen die deutschen und österreichischen Nazis zum zentralen Narrativ der Nachkriegsgeschichte wurde. Bis in die 80er Jahre entstanden Hunderte jugoslawischer Filme, die sich an der Geschichte des Partisanenkampfs abarbeiteten, sie zum Mythos erhoben oder zum Vorwand für Kriegsfilm-Exploitation verwendeten. Slavica unterliegt noch nicht der späteren Kodifizierung des Genres und steht noch ganz unter dem Eindruck der Ereignisse, die die SchauspielerInnen selbst durchlebt hatten.
In den staatsoffiziellen Jubelfeierlichkeiten wird die Perspektive der slowenischen PartisanInnen einfach verschwiegen. In Kärnten geht die kleinere Regierungspartei, historisch das Auffangbecken der ehemaligen Nazis, einen Schritt weiter: Hier wird von der Landesregierung und minderheitenfeindlichen, faschistoiden Verbänden wie dem "Kärntner Heimatdienst" planmäßig die Perspektive verkehrt und der antifaschistische Kampf der Kärntner PartisanInnen regierungsoffiziell kriminalisiert. Diese Politik wird auch filmisch umgesetzt, etwa in In der glühenden Lava des Hasses, einem Film des Rechtsextremen Andreas Mölzer über die sogenannten "Partisanenverbrechen". Überhaupt entbehren Staatsvertragsjubelfeiern aus Kärntner Sicht nicht einer gewissen Ironie, sind doch wesentliche Bestimmung des Vertrages in Kärnten bis heute nicht erfüllt. Die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln wird weiterhin verweigert. Und die "Tätigkeit von Organisationen, die darauf abzielen, der kroatischen oder slowenischen Bevölkerung ihre Eigenschaft und ihre Rechte als Minderheit zu nehmen" (Staatsvertrag Artikel 7, Punkt 5) ist beileibe nicht verboten.