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Home » Texte » Bombenstimmung » Nie wieder Heimat

Nie wieder Heimat

Wohin mensch blickt: Heimat. Als reaktionäre Lieblingskategorie hat sich Heimat längst etabliert. Dennoch kommt sie immer harmlos daher. Von Cafe Temelin.

Besonders erschreckend ist dies in Hinblick auf die Begehrlichkeit der Volksdeutschen, insbesondere der Sudetendeutschen. Zeit, ein wenig Licht auf „die Heimatvertriebenen“ und so Eigenheiten wie das „Heimatrecht“ zu werfen.

Warum der Heimat so große Bedeutung beizumessen ist wird in einer Rezension in einer Eckartschrift, völkisches Organ der Sudetendeutschen Landsmannschaft Österreichs folgenderweise erklärt:

„Gerade in einer Zeit multikultureller Schwärmerei einerseits und neuer Völkerwanderung - heute mit Vorliebe etwas verhüllend als Migration bezeichnend - sowie brutalster Vertreibungen andererseits, wie sie die Geschichte der Menschheit bisher nicht gekannt hat (z.B. nach dem zweiten Weltkriegs von Deutschen aus Ostpreußen, Schlesien und dem Sudetenland oder erst jüngst von Serben und Albanern im Kosovo), kommt diesem Fragenkreis (Heimat, Anm. des Verf.) besondere Bedeutung zu. (...)

Alle drei Verfasser kommen auf verschiedenen Wegen zur Erkenntnis, dass der wichtigste Wert die Heimat an sich sei.“

Die Anliegen der Sudetendeutschen „Vertriebenen“ - hierzulande nennen sie sich bevorzugt „Altösterreicher deutscher Muttersprache“ - genießen, ganz im Gegenteil zu ihrer eigenen Propaganda, eine ungeheuerlich hohe Aufmerksamkeit. Noch nie stand dieses Milieu derart im Rampenlicht. Kaum ein Thema hat so sehr die ZIB-Berichterstattung des letzten Jahres geprägt, kein Thema die Tageszeitungsleser zu mehr mitleidsvollen Leserbriefen veranlasst. Fast scheint es, als hätte sich die Diskussion rund um die Benes Dekrete zum linksliberalen Lieblingsthema gemausert. „Endlich“, sagt der Österreicher, „darf man über die eigenen Opfer reden“. Endlich kann der Österreicher sich wieder so richtig im Opfermythos suhlen. Die Voraussetzungen dafür schufen nicht zuletzt drei Jahre ÖVP-FPÖ Koalition und konsequent gepflegter historischer Revisionismus.

So sehr die Diskussion rund um die sog. Benes-Dekrete gekennzeichnet ist durch Geschichtsrevisionismus und Revanchismus so dümmlich und unreflexiv gestaltet sich der Umgang mit so bedeutsamen Begriffen, wie dem der Heimat. Wundern muss einen das nicht. Liegt es doch im Interesse der sog. „Heimatvertriebenen“, dass jener Begriff - diffus und harmlos - auch in Zukunft heiter immer dann verwendet werden kann, wenn völkische Gedanken bzw. Ansprüche formuliert werden müssen.

Es zählt zu einer der Konsequenzen aus Weltkrieg und Holocaust, dass gewisse Wörter offen (!) einfach sehr selten ausgesprochen werden. Nun ist heute zwar das Wörtchen „Volk“ - von rechts bis links - immer noch äußerst konkurrenzfähig und beliebt, ein bewusstes Volkstum, mittels dem eben der völkische Anspruch auf tschechisches Staatsgebiet, auf tschechischen Grund und Boden und auf tschechisches Eigentum betrieben werden könnte, muss heute tatsächlich vor allem unter Aufwendung gewisser Codes und Verrenkungen praktiziert werden. Der Begriff Heimat bietet sich hier an. „Heimatpolitische Durchsetzung von Rückkehr und Wiedergutmachung“ klingt schlicht weniger nach Nazi als Formulierungen in denen etwa das Wörtchen „Volkstum“ aufscheinen. Unterscheiden tun sie sich nicht.

Übrigens wurde bereits sehr bald nach Ende des Zweiten Weltkrieges damit begonnen, das Wort Heimat systematisch als völkische Kategorie zu verwenden. Klar zeigen dies etwa Kriegerdenkmäler: Im fernen Russland starben die deutschen und österreichischen Jungs sehr zahlreich „im Kampf um die Heimat“.

Die Interessensvertretungen der Sudetendeutschen waren tunlichst darum bemüht sich in den letzten fünfzig Jahren eine „verlorene Heimat“ (ZDF-Dokumentation unter der wissenschaftlichen Leitung von Guido Knopp) zurechtzulügen. Mit jener Heimat bezeichnen volksdeutsche Strategen Gebiete Tschechiens - und Polens - , die im deutschen Streben gen Osten schon lange eine gewichtige Rolle spielen. Der gemeine sudetendeutsche Altösterreicher deutscher Muttersprache umreißt mit seiner Heimat große Teile Südböhmens und Südmährens, die Umrisse des nazistischen Mustergaus dienen wohlweislich als kartographische Orientierungshilfe. Demnach wird die tschechische Hauptstadt Praha kaum als Projektionsfläche feuchter heimatlicher Träume in Erwägung gezogen. Prag ist zu sehr tschechisch, zu sehr Stadt, zu sehr kommunistisch und zu sehr atheistisch, um im ländlichen - zu bebauenden - Blut&Boden Heimatkonzept der Sudetendeutschen integriert werden zu können. Der scheinbar harmlose Heimatbegriff fungiert also wahlweise als Platzhalter der völkischen Blut&Boden Ideologie, des Volkstums oder des Revanchismus und richtet sich gegen das konstruierte bzw. zu konstruierende Fremde, und zwar innerhalb als auch außerhalb der starren Landesgrenzen.

Die Heimat, die sie meinen.

Heimat ist stets konstruiert. Während für den Normalo-Österreicher Heimat meist mit seinem Herkunftskaff und Österreich abgedeckt ist, hat der „heimatvertriebene Vertreiber“ zusätzlich den tschechischen Staat im Auge. In jahrzehntelanger Arbeit erfanden sie sich diese Heimat, die da Südböhmen, Krumau (Ceske Krumlov), Brünn (Brno), Eger (Cheb) oder Znaim (Znojmo) heißt. Oft hatten sie dafür nicht viel mehr, als billigen Heimatkitsch - die Marktwirtschaft hat jene Marktnische bald entdeckt und füllte über Jahre die Wohnzimmer der „Vertriebenen“ mit sentimentalen Publikationen, Wappen, Trachten, Bildchen und sonst wie gearteten heimatlegitimierenden Artefakten.

„Erinnerung wohin man blickt. Zum Beispiel in die Wohnzimmer von Heimatvertriebenen. Erinnerungsgegenstände an die Heimat aber nicht nur im Wohnzimmer, sondern zumeist in mehreren Räumen: überwiegend Fotos und Bilder, aber auch Wappen aus verschiedensten Materialien, Zinnteller, und sogar organische Reliquien wie Pflanzen, Steine und Erde aus der Heimat. Objekte, die engste Verbindungen zu Haus, Hof oder zur Familie signalisieren. (…)

Die alte Heimat dient dabei nur noch als Kulisse: Heimat wird inszeniert.“

Der sentimentale Kitsch der hier massenhaft produziert wird wäre irgendwie fast rührend und komisch, wären da nicht die dazugehörigen Konsumenten, die bei der Lektüre von „Unsre Seelen weinen leise“, „I schreibs houd auf“, „Frag mei Herz“ wahrscheinlich tatsächlich schon die eine oder andere Träne verdrückt haben, um sie mit einem bestickten Taschentuch „mit Wappen und Landkartenaufdruck von Südmähren - neue Ausführung“ abzuwischen. Für den Autofahrer gibt es dann den „Südmährer-Autoaufkleber“, für den Janker die „Südmährische Anstecknadel“ und für die Korrespondenz mit dem Altreich gibt’s natürlich auch das richtige Briefpapier mit den richtigen Briefmarken und Sonderstempel.

Mit den realen Lebenssituationen der deutschen Vorkriegsbevölkerung der tschechischen Länder korrespondieren diese „Andenken“ freilich kaum. Sie sind Produkte eines automatisierten und aufgesetzten Heimwehs.

In Trachtenstadel Österreich hatten sich die ausgesiedelten Volksdeutschen bald gemütlich eingerichtet. Fremde waren sie nie. Vom Staat bekamen sie großzügig finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Österreich würde als Heimat auch nie verneint werden. Bzw. sehen sie sich selbst als anständigen Staatsbürger.

Für die meisten der heute so wütenden „Heimatvertriebenen“ ist Tschechien - in Österreich weitgehend unter dem Nazijargon "Tschechei" bekannt - wohl ein Land, das man/frau von diversen Einkaufs- und Sauftouren oder im allerbesten Falle von großherzigen Renovierungsarbeiten an Kirchen kennt. Die wenigsten dieser „Bekenntnisvertriebenen“ haben heute noch so etwas wie eine persönliche Erinnerung an diese ihre „Heimat“. Sie muss alleine aus diesem Grunde immer neu erfunden werden. Sie muss auch deshalb immer wieder erfunden werden, weil ihre Heimat eine spezifische Gestalt haben soll und eben nicht einfach das ist, was die Tschechen in den letzten fünfzig Jahren aus ihr gemacht haben. Die konstruierte Heimat ist höchst antikommunistisch. Ihr liegt eine Ideologie zugrunde, welcher nicht nur die phantasierte Kolchosen-Landwirtschaft, sondern auch so kommunistische Nebenprodukte wie der Atheismus nicht ins Landschaftsbild passt. Die landwirtschaftliche Realität wird dabei ausgeklammert.

„Viele Höfe, an der Grenze sogar ganze Dörfer, ließ man zugrunde gehen. Das seit 1948 veränderte Gesellschaftssystem begünstigte diesen Prozess. Statt bodenständigen Bauern prägen nun Kolchosenwirtschaften das Land; es hat sein organisch gewachsenes Antlitz, es hat seine Seele verloren. Daran hat sich auch seit 1990 kaum etwas verändert.“

Die Berufsvertriebenen konstruieren also ihre saubere Blut&Boden-Heimat, über die sie ihren Anspruch auf tschechisches Territorium begehen, gerade auch deshalb, um den dort lebenden Tschechen jeden eigenen Anspruch auf ihr Land entziehen zu können. Die historische Rolle des Beherrschers soll den Sudetendeutschen letztlich nicht verloren gehen. Die Sudetendeuschen (und deren Nachkommen bzw. Bekenntnisvertriebene) wollen freilich alles andere, als die Integration in der Tschechischen Republik. Ist doch Integration nur eine notwendige repressive Formel der Rechte, für den Umgang mit einer nicht ganz vermeidbaren Migration. Das wissen die Sudetendeutschen und erheben deshalb auch nichts weniger als den Anspruch auf Kulturhegemonie. Verpflichtende Tschechischkurse für Sudetendeutsche sollten angedacht werden.

Mitte der Achtzigerjahre listete der Witikobund, völkische Speerspitze der sudetendeutschen Landsmannschaften, in einem seiner Witikobriefe mehrere Gründe für eine reibungslose Beseitigung der tschechischen Bevölkerung im sog. Sudetenland auf.

„Wir glauben nicht, dass einer Räumung zumindest eines beträchtlichen Teils des Sudetengebietes durch die Tschechen unüberwindliche Schwierigkeiten im Wege stehen, wenn man folgende Punkte berücksichtigt: [...]

  • Die im Grenzgebiet jetzt wohnende Bevölkerung ist nicht dort verwurzelt.
  • Die Tschechen sind nicht imstande gewesen, den Schutz der Umwelt wahrzunehmen.

Dieser Umstand bestätigt, dass die Tschechen das Sudetengebiet nicht als ihre Heimat ansehen!“

In die selbe antislawische Kerbe schlagen schließlich immer wieder auch die sog. Atomgegnerinnen des wehrhaften Mühlviertels, die sich möglicherweise nur durch erdrückende Langeweile und Stumpfsinn getrieben, daran machten ihre Heimat gegen die gottlose tschechische Realität - drüber der Grenz - in Stellung zu bringen. Mit der entsetzlichen Tatsache konfrontiert, dass sich „Radioaktivität (…) offensichtlich an keine Grenzen“ „hält“, griffen die Bauern des Mühlviertels und des benachbarten Waldviertels alsbald auf die heimatliche Totalmobilisierung des Katholenmiefs zurück um wenigstens ordentliche, antislawische Propaganda und gleichzeitig Gemeinschaftsstiftende Arbeit zu leisten. Die Temelín-Aufregung war von Anfang an eine antitschechische Kampagne, alleine geführt um die sog. „Benes-Dekrete“ aufs „Tapet der europäischen Geschichte“ (Susanne Riess-Passer; Gastkommentar für die Kronen-Zeitung) zu hieven und so richtig revanchistisch und revisionistisch loslegen zu können. Weil der Tscheche nicht fähig ist seine Heimat richtig zu lieben ist er auch nicht willens sie zu beschützen, baut deshalb hässliche Atomkraftwerke und wird die deutsche Heimat der Sudetendeutschen und die grenznahen Österreicher mit sich in den Untergang reißen.

Den herkömmlichen Sudetendeutschen gefallen an der tschechischen Landschaft nicht nur die schönen Kühltürme, sondern auch die verfallenden Kirchen, die eigenen verwahrlosten Friedhöfe oder die unordentlichen Gärten nicht.

So treiben nicht zuletzt die vielen verfallenden Kirchen, Klöster und Kapellen dem Altösterreicher deutscher Muttersprache Tränen in die Augen; fleißig wurde in dieser Hinsicht bereits investiert. Für tschechische antifaschistische Denkmäler und Gedenkstätten soll ein wahrer volksdeutscher Katholik allerdings keinen Groschen springen lassen:

„Heute kann man in Broschüren, wie sie zur Beschreibung etwa von Klöstern aufliegen, von NS-Terror und Verwüstung lesen, die Vertreibung wird übersprungen, Gründung und Erhaltung der Klöster durch Deutsche werden verschwiegen. Prof. Hampel riet, kein Geld mehr zu spenden, wenn über dessen Herkunft nichts gesagt wird. Wenn von kirchlicher Seite für ein Begegnungszentrum in Lidice 100.000 DM gespendet werden, sei das abzulehnen, da es sich dabei um keine kirchliche Einrichtung handelt.“ (aus einem Protokoll der Südmährischen Kulturarbeitstagung am 16./17. März 2002 in Geislingen/Steige) Wo es doch so viele renovierungsbedürftige deutsche Kirchen in Tschechien gibt. Die Frage, ob nun die reizvollen Ruinen Produkte einer kommunistischen Gottlosigkeit, oder doch eher eine späte Auswirkung der taktvollen habsburgischen Religionspolitik sind, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass in der „Heimat“ der Sudetendeutschen Kirchen, und zwar intakte Kirchen, eine wichtige Rolle einnehmen. So überraschen auch die vielen katholischen Geistlichen nicht, die sich in den Reihen der Vertriebenenverbände für die Anliegen der Sudetendeutschen einsetzen. Waren doch die Sudetendeutschen stets treue Katholiken, die ursprünglich auch stark mit den Ideen des Wiener Soziologen und Theoretikers des Klerikalfaschismus Othmar Spann liebäugelten. Was schließlich jedoch kein Grund für die Pfaffen war in der Begeisterung über den Anschluss an das Altreich im Jahre 1938 zu fabulieren, dass sie im „völkischen Wirken und Erleben“ voller Tatkraft seien.

Viele Publikationen zu den Benes-Dekreten durchzieht ein dezidiert katholischer Geist. Als Beispiel sei hier die Schrift: „Mit den Benes Dekreten in die EU?“ herausgegeben von Adolf Hampel und Rudolf Grulich genannt. In einem durch und durch pathetischen Stil schreiben die guten Christen von Schuld und Vergebung um in der, der Rechen eigenen Art vorgetäuschter Objektivität ihren ganzen Geschichtsrevisionismus, ihre Holocaustrelativierung und ihren Revanchismus heraushängen zu lassen.

„Es war der unchristliche Geist des Revanchismus, der Mitteleuropa den Todesstoß versetzt hat. Die Maßnahmen der Tschechen und Polen mögen nach den Untaten Hitlers als Reaktion interpretiert werden, sie richten sich nichtsdestoweniger gegen die Fundamente Europas, gegen die Menschenrechte. Die kommunistische Machtergreifung war danach nur noch die Besiegelung des Ausstiegs aus Mitteleuropa.“

Mehr als andere präsentieren sich die christlichen Kämpfer für das Recht auf Heimat der Sudetendeutschen als Vorreiter einer Völkerverständigung und begründen dies mit Kontakten, die sie bereits über Jahrzehnte zum tschechischen Klerus erhalten. Auf Vortragsreisen suchen sie in Tschechien auch den Kontakt zu den „zur Versöhnung bereiten“ Tschechen und treten als Bittsteller der Sudetendeutschen Gelüste auf:

„Ich bitte sie auch, die vielen Sudetendeutschen, die Ihre Heimat besuchen, nicht als Revanchisten anzusehen, sondern als das, was sie sind: Menschen, die zu ihren Wurzeln, ihren Quellen, ihrer Heimat zurückkehren wollen.“

Was den real existierenden Sozialismus in der Tschechoslowakei betrifft, wird er von vielen Vertriebenen quasi als eine Art selbstverschuldete „Rache der Geschichte“ für die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung interpretiert. Der Nationalsozialismus - wenn auch selten benannt - wird von den Vertriebenen als kurze feine Episode des kleineren Übels zelebriert. Manchmal brechen allerdings Rachegelüste der Täter, der Vertriebenenfunktionäre auch ganz offen durch. Walter Staffe, ehemaliger Chef des Witikobundes, merkte einmal an, dass „das grausame Geschehen (…) einer Vertreibung eines Tages die Vertreiber selbst treffen (kann)“.

Wie eng die sog. „unverzichtbaren heimatpolitischen Forderungen“ der Vertriebenenverbände ideologisch mit Blut&Boden korrespondieren kann nicht zuletzt anhand von Antisemitismus erläutert werden. Der heimatlose, entwurzelte und kapitalistisch-entfesselte Jude diente den Nazis stets als Kitt für ihre Politik. Dass es heute jüdische Menschen gibt, die mit Israel auf einen Staat als Heimat verweisen können, wird von vielen Menschen höchstens als ein zu tolerierender Witz begriffen. Wo doch der wahre Jude keine Heimat besitzen kann. Konsequenterweise wurde nach 1945 in Österreich nie auch nur ansatzweise darüber nachgedacht den überlebenden vertriebenen Juden bzw. den Holocaustüberlebenden eine Heimat zu sein. Im Denken der Österreicher und Österreicherinnen ist die brutale Vertreibung der jüdischen Bevölkerung ab 1938 nämlich immer noch positiv belegt und bloß die katholische Moralvorstellung und die, in den Nazi-Nachfolgestaaten als von fremden Mächten auferzwungene Umerziehung phantasierte, antifaschistische oder liberale Nachkriegsordnung, haben dazu geführt, dass jener Teil der organisierten „Vertreibung“, der für Millionen von Juden in den Vernichtungslagern im Osten Polens endete und uns als Holocaust nach sechzig Jahren immer noch ständig vorgehalten wird“, heute im Prinzip doch irgendwie zu verurteilen ist. Positiv belegt wird ein anderer Teil der Vertreibung: die Flucht der jüdischen Bevölkerung aus Österreich in sichere Länder. Manchmal - vorzugsweise dann, wenn es für Österreich darum geht Nobelpreisträger für sich zu beanspruchen - bedauert der Österreicher zwar in einem Anflug von patriotischer Melancholie das Fehlen des „klugen Juden“, doch spricht dieses Verhalten, der „kluge Jude“ ist nichts als ein dummes antisemitisches Stereotyp, eher für den latenten Antisemitismus in Österreich, als für ein Bedauern der Vertreibung. Ganz im Gegensatz zu den ausgesiedelten „heimatvertriebenen“ Sudetendeutschen gelten die jüdischen Emigranten allesamt als große Glückspilze, als Kriegsgewinnler. Eine Vertreibung kann schließlich nur jemand erfahren, der eine Heimat besaß. Bezeichnend ist auch, dass in Medienberichten über vertriebene Juden immer mit dem Bild des erfolgreichen Emigranten gearbeitet wird, der in einer Großstadt im Osten der USA ohnehin in seiner Heimatlosigkeit am besten aufgehoben ist: die berühmte Ostküste eben. Ist der Heimatbegriff an sich schon recht reaktionär, so liegt der Heimat der Sudetendeutschen über die tradierte Blut&Boden Ideologie also auch ein latenter Antisemitismus zu Grunde. Dass die rassistische Blutkategorie den Berufsvertriebenen ganz heftig durch den Kreislauf schießt beweisen neben zahlreichen diesbezüglichen schriftstellerischen Ergüssen auch so nette Aktionen, wie eine von der österreichischen Landsmannschaft eigens „zum Gedenken an die(se) ersten Blutopfer unserer Volksgruppe“ organisierte Blutspendeaktion am 3. März 2000. Mit der Aktion sollte wahrscheinlich die volks-klerikale Veranstaltung - Katholiken vom Range seiner „Exzellenz Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn“ schwingen dort an derartigen Tagen, im Austrofaschismus wohl schwelgend, Reden - zu einer in sich geschlossenen Gedenkaktion reifen. Besonders beliebt war eine solche Blutsymbolik in der Gedenkpraxis der Nazis, die mit ihrer Blutfahne ebenfalls ihrer „ersten Blutopfer“ gedachten. Doch so sehr das Blut die Sudetendeutschen in ihrem ritualisierten Gemeinschaftsgefühl bestärkt so sehr handeln sie bewusst mit Rassismen, wenn es darum geht die slawische Bevölkerung Tschechiens als unrechtens im „Sudetengebiet“ sitzende Saubande zu identifizieren. So glauben laut Bruna „nur noch Ewiggestrige an unüberwindliche Gegensätze zwischen slawischen und anderem Blut“(www.bruenn.org). Was sie damit sagen wollen? Die Brünner Deutschen glauben demnach durchaus an die Überwindlichkeit der konkreten rassischen Blut-Gegensätze. Ist der Satz als offene oder als versteckte Drohung zu lesen? Wahlweise wird auch vom slawischen Charakter gesprochen. Schon die Nazis wussten, dass „der Tscheche (…) aufgrund seines slawischen Charakters nur dann Ordnung (hält), wenn er eine starke Hand spürt.“

Heimatrecht

Die Sudetendeutschen wollen „ihre Heimat“ zurück. Der Druck auf Tschechien ist enorm. Eine genaue Beurteilung des politischen Drucks von deutscher und österreichischer Seite ist allerdings schwierig. Die Rhetorik der Landsmannschaften und offiziellen Außenpolitik ist in der Öffentlichkeit größtenteils von einer platten Forderung nach einer Entschuldigung für „begangenes Unrecht“ geprägt. Oftmals - besonders gerne bei so hochoffiziellen Anlässen wie dem „Tag der Heimat“ - bedienen sich die „Berufsvertriebenen“ einer Sprache, die sich stark ein Vokabular zu eigen macht, das im Zuge der sog. „Vergangenheitspolitik“, „Erinnerungs-“ bzw. „Gedächtnis-Kultur“ der Nachkriegszeit entstanden ist. Das Motto des diesjährigen „Tag der Heimat“ lautete „Erinnern - Bewahren - Zukunft gewinnen“. Das kommt an und freut nicht nur Otto Schily, Stammgast am Tag der Heimat und Intimus von Erika Steinbach, Chefin des deutschen Bunds der Vertriebenen. Gerne betonen die Funktionäre der Vertriebenenverbände fast rührend, dass sie lediglich eine Entschuldigung für begangenes Unrecht erwarten würden oder, wie gerne sie doch nur in Dialog mit dem so häufig benannten „tschechischen Volke“ treten wollen. „Völkerverständigung“ heißt das Lieblingswort, von den katholischen Vertriebenenverbänden bis hin zu jenen, mit strikt völkischem Zuschnitt. Dabei präsentieren sich die Sudetendeutschen immer als die harmlosen Idealisten, denen nichts ferner liegt als revanchistische Gelüste. Die Brünner Volksdeutschen formulieren das folgenderweise:

„…deshalb strecken die Deutschen aus Brünn auch heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später, weiterhin unverzagt die Hand zur Versöhnung aus; denn Hass darf nicht immer wieder neuen Haß hervorrufen. Tschechen und Deutsche müssen in Nachbarschaft leben. Sie sollten sich deshalb um ein gutes Einvernehmen bemühen. Das wird sich letztlich segensreich für beide Völker auswirken. Sicher gehört dazu bei den Tschechen noch etwas, was bisher verdrängt wurde: Das Aufarbeiten der eigenen Geschichte, die nüchterne Abwägung des Anteiles eigener Schuld, all dessen also, was die Deutschen schon hinter sich haben. Wir sind zuversichtlich, dass unsere ausgestreckte Hand eines Tages nicht mehr zurückgewiesen wird, wie dies heute leider bei den politischen Machthabern immer noch der Fall ist.

Wir, die Deutschen aus Brünn, sind zur Verständigung bereit.“

Gerade in seiner scheinbaren Harmlosigkeit zeigt dieser Text die Dreistigkeit der Volksdeutschen ganz gut. Und jeder, der hier Naivität auszumachen glaubt unterschätzt die Wut der sich selbst als „eigentliche Opfer“ wähnenden Sudetendeutschen.

Wie intensiv sich die Deutschen insbesondere die „Heimatvertriebenen“ mit Vernichtungskrieg und Holocaust auseinandergesetzt haben zeigt etwa der Satz: „Zu den gewaltigsten Geschichtslügen der jüngsten Vergangenheit gehören die 6 Millionen Juden“ (Witiko-Brief von 1974). Gefordert wird von den Tschechen das „Aufarbeiten der eigenen Geschichte“. Unter deutscher Anleitung versteht sich. Und diese Frechheit muss mensch sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Dabei geht den Deutschen das Wort „Aufarbeiten“ wohl so leicht über die Lippen, weil es am ehesten dem deutschen Arbeitswahn entspricht, Schweiß und Blut enthält und das Ende der harten Arbeit im Worte schön mitträgt.

Abseits der Völkerverständigungs-Rhetorik stoßt mensch bald auf den Kern sudetendeutscher Begehrlichkeit. Im rechten Nachrichtenportal WNO gesteht Gerhard Zeihsel der Chef der österreichischen Landsmannschaften: „Ich bin nicht für eine Entschuldigung, sondern für eine Aufhebung und Verurteilung der Dekrete.“ Sie wollen das Land aus dem sie ausgesiedelt wurden zurück und nennen dies: „Das Recht auf Heimat“ oder „Heimatrecht“. Das Heimatrecht geht davon aus, das ein Mensch mit einem Stück Grund und Boden verwurzelt ist und diese völkische Bodenhaftung sogar an spätberufene „Bekenntnisvertriebene“ vererbt bzw. verschrieben werden kann. Die österreichischen Landsmannschaften erklären im Rahmen des Heimatrechts: „Die seitens der EU garantierte Niederlassungsfreiheit hat in diesem Zusammenhang keine Relevanz.“

„Deutlich wird hier, dass es den Vertriebenen weniger um allgemeine Menschenrechte geht (so meinte vor kurzem Erika Steinbach auf einer Wahlkampfveranstaltung, das Grundrecht auf Asyl hätte ganz aus dem Grundgesetz getilgt werden müssen), als vielmehr um eine Blut und Bodenideologie, nach der jeder Mensch wie ein Baum mit seinem Geburtsort verwurzelt sei und das über Generationen.“

Heimatrecht ist geradezu ein restriktiver Gegenentwurf zum Recht auf Asyl. Die Aula stellte eine gesamte Ausgabe ihrer Zeitschrift unter den Titel: „Heimatrecht vor Asylrecht“. Wer von „Heimatrecht“ spricht, wünscht sich das Verschwinden von Migration. Eine stabile Ordnung funktioniert im rechten Denken eben nur ohne dem Fremden. Frieden kann nur ohne Migration sein. Sie sagen, sie treten gegen Vertreibung ein, planen Museen gegen die Vertreibung und meinen doch nur, dass sie keinen Frieden geben werden solange Zuwanderung besteht und die „Lösung der deutschen Frage“ noch offen ist.

Aufgetaucht ist der Kunstgriff Heimatrecht im spezifischen Kontext der ausgesiedelten Volksdeutschen bald nach 1945. Im ersten programmatischen Papier der „Charta der Heimatvertriebenen“ steht das „Recht auf Heimat“ im Mittelpunkt der sudetendeutschen Forderungen. Geändert hat sich die Argumentationslinien für die Durchsetzung derselben. So ist die Charta noch stark vom Katholizismus der Ausgesiedelten bestimmt:

„Wir haben unsere Heimat verloren. Heimatlose sind Fremdlinge auf dieser Erde. Gott hat die Menschen in ihre Heimat hineingestellt. Den Menschen mit Zwang von seiner Heimat zu trennen, bedeutet ihn im Geiste töten.

Daher fühlen wir uns berufen zu verlangen, dass das Recht auf die Heimat als eines von der Gott geschenkten Grundrechte der Menschheit anerkannt und verwirklicht wird.“

Interessant ist bei diesem Zitat neben dem Gottgeschwafel die Formulierung, sie hätten die „Heimat verloren“, wo doch, wenigstens heute, in erster Linie von „Vertreibung“ die Rede ist. Die verlorene Heimat, wie auch eine neue ZDF-Dokumentation über den deutschen Osten betitelt wurde, verweist darauf, dass den „Heimatverlorenen“ damals und auch heute eigentlich durchaus bewusst war und ist, aus welchen Gründen sie aus der Tschechoslowakei ausgesiedelt worden waren. Die präpotent zur Schau gestellte Verblüffung über die Vertreibung der meisten Deutschen aus der Tschechoslowakei oder aus Polen ist nur eine taktische Farce der Täter und ihres Milieus innerhalb der Nachfolgestaaten des Nationalsozialismus.

Die Sudetendeutschen arbeiten gerne mit einer „verlorenen Heimat“. Im Sinne von: „Hoppala, jetzt habe ich meine Heimat verloren“, oder: „Moment, ich glaube ich habe meine Heimat verloren, muss sie irgendwie verlegt haben“, möchte man sagen.

Heute ist der Faktor Gott im Streben der „Vertriebenen“ nach Heimatrecht in der Öffentlichkeit in den Hintergrund getreten, wiewohl das katholische Selbstverständnis und die Verquickung mit der katholischen Reaktion insbesondere in Österreich und Bayern bei den „Vertriebenen“ immer noch entscheidend ist. Bestimmende Bausteine der volksdeutschen Argumentation nach außen sind heute, wenig überraschend, das Völkerrecht und auch das Menschenrecht. In Österreich berufen sich die Berufsvertriebenen häufig auf einen Völkerrechtler namens Felix Ermacora; ein Institut der Sudetendeutschen zur Erforschung/Erfindung deutscher Volksgruppen beheimatet im Haus der Heimat trägt seinen Namen: Felix Ermacora Institut. Das Völkerrecht setzen die Sudetendeutschen beharrlich mit ihrem Heimatrecht gleich. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft bringt das folgenderweise aufs Papier:

„Alle Völker und Volksgruppen haben Anspruch aus Selbstbestimmung und das Recht auf Heimat. … Er erhält Bedeutung dann, wenn sie ihre Heimat selbst kultiviert und durch friedliche Arbeit in Jahrhunderten geschaffen haben. Dies begründet unabhängig von Abkommen und Verträgen, den legitimen Anspruch der Sudetendeutschen aus ihre angestammte Heimat.“

Eine Konsequenz aus diesem strikt völkischen Denken sind die offenen Sympathiebekundungen der Sudetendeutschen in Richtung des sog. palästinensischen Befreiungskampfes. Sprüche in der Art von „Ein Volk wird siegen“ sind Balsam für jede Naziseele. Gerne verweisen die Sudetendeutschen dann noch auf den Krieg im Kosovo, wo doch die EU für das Selbstbestimmungsrecht der Kosovaren aufgetreten sei (im Gegensatz zu den Amis!). Und nichts anderes wollen die Sudetendeutschen. Rolf Eibicht, einer der Vielschreiber unter den „Vertriebenen“, Mitglied beim stramm völkischen Witikobund und nebenbei auch Autor einer Haiderbiographie (Haider selbst schrieb für eines seiner älteren Bücher ein Geleitwort) steht mit der Zielformulierung „Ziele sind die Rückgabe deutscher Hoheitsrechte sowie die Durchsetzung von Heimat- und Besitzansprüchen vertriebener Deutscher und ihrer Nachkommen“ nur exemplarisch für die vielen, die nicht den Mumm haben das zu sagen was sie eigentlich anstreben und lieber von Völkerverständigung und Entschuldigungen reden.

„Vertriebenenpolitik konnte und kann immer nur deutsche Politik sein. Es ging und geht darum, so viel wie möglich von Deutschland für Deutschland und das deutsche Volk zu retten. (...)

Um das zu erreichen und auch den deutschen Osten wieder auf die Tagesordnung der Politik zu bringen, bedarf es einer Regierung, die willens und in der Lage ist, die Interessen des eigenen Volkes kraftvoll wahrzunehmen. Danach zu trachten, das ist die Aufgabe aller Deutschen, nicht nur der Vertriebenen.“ (Ardelt; Vorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Niedersachsen: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung)

So hart dies klingt, so sehr ist dies heute Realität. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der „Altösterreicher deutscher Muttersprache“ in einem Punkt von seinen volksdeutschen deutschen/bayrischen Brüdern. In Österreich kann selbst von Hardlinern unter den Vertriebenen auf die direkte Bezeichnung des „deutschen Ostens“ verzichtet werden. Die österreichischen Sudetendeutschen berufen sich stets auf die Zeit der österreichischen Monarchie. Dieser Trick lenkt nicht nur elegant von der immanenten völkischen Blut&Boden Ideologie ab, sondern bringt über das Hintertürl namens „Vielvölkerstaat“ auch noch eine grundsätzlich positiv besetzte völkische Kategorie ins Spiel. In der Monarchie hätten die Völker auch friedlich zusammengelebt. Das leuchtet dem Österreicher ein. Ist allerdings lediglich eine Projektion, vom heute so oft als Ziel propagierten „friedlichen Zusammenleben der Völker“.

Österreich abschalten / Vypnout Rakousko

In Österreich wird weiter heftig an der Umschreibung der NS-Geschichte gearbeitet. So wird nun verstärkt versucht einem alten Herzenswunsch aller völkischen Theoretiker zu entsprechen und der Forderung, dass „zwei Generationen, in Deutschland und in der Tschechischen Republik, (…) seit dem Ende des 2. Weltkrieges ohne Kenntnisse des deutschen Wirkens im Osten“ aufwachsen mussten, nachgegangen. „Wichtig“, so Barbara Rosenkranz, Klubofrau der niederösterreichischen Freiheitlichen - sei es „die Versäumnisse von Zeitgeschichte und Schulunterricht aufzuholen und die Frage der Benesch-Dekrete jetzt, vor dem Beitritt Tschechiens, in die politische Debatte zu bringen und zu lösen.“

Im Mittelpunkt dieses Strebens steht das Bundesministerium für Unterricht und Kulturelle Angelegenheiten, das bereits vor zwei Jahren in Zusammenarbeit mit dem sudetendeutschen „Felix Ermacora Institut“ und der Sudetendeutschen Landsmannschaft Österreichs einen Schulfilm zur „Vertreibung“ der Sudetendeutschen produzierte. Der Titel der Doku lautet: „Sudetendeutsche und Tschechen - Geschichte-Fakten-Perspektiven: Eine Herausforderung für Europa“. Nun wird in einer eigenen Unterrichtsbroschüre für den Geschichteunterricht der als Führer der Henlein-Bewegung maßgeblich für die Zerschlagung der Tschechoslowakei im Jahre 1938 verantwortliche und spätere Gauleiter des „Mustergaus Sudetenland“ Konrad Henlein als „Antifaschist“ gehandelt. Verfasst wurde die Broschüre von Peter Wassertheuer, Mitglied bei der österreichischen Landsmannschaft und regelmäßiger Schreiber in der rechten Zeitung „Zur Zeit“. Im Mittelpunkt jener revisionistischen Umtriebe steht allerdings ein gewisser Dr. Walter Heginger, der sich als Ministerialrat im Unterrichtsministerium für den Bereich „Medien und Begleitmaterial für den Unterricht“ verantwortlich zeigt. Wichtig scheint ihm das Projekt auf alle Fälle zu sein. Präsentierte er doch das neue Unterrichtsmaterial schon wiederholt persönlich. Auf einer Veranstaltung des Iglauer Regionalkulturverbands (IRKV) trat er - welch Überraschung - gemeinsam mit Peter Wassertheuer auf. Der IRKV organisierte übrigens wiederum gemeinsam mit dem sudetendeutschen „Haus der Heimat“ in Wien ein Lehrerfortbildungsseminar.

Diese Entwicklung zeigt einmal mehr, wie sehr sich auch die ÖVP - das Unterrichtsministerium ist traditionell von der Volkspartei dominiert - einer revanchistischen und revisionistischen Politik verschrieben hat.

Wie Wolfgang Schüssel zu den ausgesiedelten Sudetendeutschen steht legte er beispielsweise bei einer Nationalratssitzung im Jahre 1997 - in der übrigens die FPÖ-Funktionäre auf 69 Zwischenrufe kamen - dar:

„Ich meine und sage Ihnen das ganz offen: Die Heimatvertriebenen sind die Gruppe, die von allen Opfern des Nationalsozialismus am längsten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs unter den Folgen dieser Schreckensherrschaft zu leiden gehabt hat. Zehntausende wurden getötet, Hunderttausende wurden enteignet, Millionen vertrieben. Unrecht wird auch nicht durch den Ablauf der Zeit plötzlich zum Recht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)“

Der Kommentar unterscheidet sich in nichts von vergleichbaren Aussagen der Berufsvertriebenen. Es zeigt sich die gleiche Argumentation, wenn es darum geht die Täter in Opfer umzulügen oder die Aussiedlung als Unrecht zu bezeichnen.

Erwähnt werden sollte hier auch noch, dass die Vertriebenenverbände in jeder Fraktion des Nationalrats einen Fraktionssprecher für ihre Anliegen gewinnen konnten. Jene stellen beispielsweise parlamentarische Anfragen an den Innenminister, wenn der Bundesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft Zeihsel bei einer Demonstration anlässlich des Besuchs des tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Havel wütend mit seinem Regenschirm auf einen Polizisten einschlägt und sticht und deswegen eine Anzeige gegen ihn erstattet wird. Die Anzeige wurde fallengelassen.

Benes vor, noch ein Tor!

In Österreich bewegen sich die „Heimatvertriebenen“ immer noch wie die Fische im Teich. Sie können auf eine äußerst gute Infrastruktur zurückgreifen. Sie besitzen Zeitungen, mit dem „Haus der Heimat“ ein völkisches Zentrum in dem immer wieder namhafte rechtsextreme Denker auftreten, finanzielle Mittel, regelmäßige Gedenktage und Treffen, ausgezeichnete Jugendarbeit, Verbindungen zur klerikalen und politischen Elite des Landes und einen ideologischen Nährboden, der die Anliegen der „Berufsvertriebenen“ unterstützt und jegliche Kritik als Nestbeschmutzung verfolgt. Man muss sich keine Illusionen machen. Ändern wird sich an diesen Tatsachen in den nächsten Jahren nichts. Schulterschluss und wehleidiger Opfermythos haben die Wahl gewonnen.

Dennoch sollte mensch sich fragen, was man gegen all den Müll unternehmen kann. Dabei gilt es, sich vor allem einmal klar über die Strukturen der Vertriebenen zu werden. In allen Städten und vielen Dörfern existieren Orte und Zeiten an denen die Vertriebenenverbände präsent sind. Termine und Orte sind leicht über die sudetendeutschen Seiten im Internet zu recherchieren. Lange genug haben sich in Österreich die Sudetendeutschen ohne jeglicher öffentlichen Reflexion selbst gefeiert. Mit dem feiern muss Schluss sein!

Am 4. April durfte die tschechische Fußballmannschaft zum ersten mal gegen Österreich kicken. Wie zu erwarten: eine fajne Sache. Mit vier Goals im Gebäck durfte Österreich die Heimreise antreten. Und dabei war sie noch gut bedient.

Eduard Benes tritt auf: Erst kickte ich beim Kozlaner Sokol. Und später dann bei Slavia Praha. Ich war gut.

Wir: Du bist gut.

„Benes vor, noch ein Tor!“

café temelín 2003
cafe-temelin.net

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60 Jahre Befreiung, 50 Jahre Staatsvertrag, 10 Jahre EU-Mitgliedschaft - im so genannten Jubiläumsjahr 2005 erlebt Österreich einen neuerlichen Schub an Geschichtsverzerrung und Chauvinismus, an Opfermythen und diversen rot-weiß-roten Identitätskonstruktionen.
Eine Aktionsplattform tritt gegen die national-konservative Jubelmaschine an
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