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Unser schönes Kärnten. Nasa lepa Koroska.

Von Tina Leisch

Blaue Seen, hübsche Berge, malerische Bergbäuerinnen, die kurz vorm ökonomischen Kollaps noch ein paar Steilhänge mit der Sense mähen, Blondinenwahl im Seehotel, romantische Autobahntrassen über die mit 160 km/h der Landeshäuptling brettert. Nicht zu schnell, befindet der Polizeichef. Der Führer steht über dem Gesetz, aber mitten unter seinen UntertanInnen. Fast niemand, der/die nicht mit mehr oder weniger Stolz oder Resignation von der persönlichen Begegnung mit dem Führer berichtet, stolz von seiner Aura beschienen worden zu sein, oder resigniert, dass man seiner Eloquenz und seinem Charisma nichts entgegenzusetzen wusste. Jede/r dritte hat FPÖ gewählt, unter den 20-30 jährigen sind es angeblich 60 %.

Z.B. der Theologiestudent, der sich abmüht, freiheitliche Migrationspolitik als Emanation christlicher Nächstenliebe zu erklären, und dem es sichtlich peinlich ist, dass seine alte Mutter ihm immer wieder kreischend ins Wort fällt: Hitler sei eh gut gewesen für uns, der habe uns damals aus der Not erlöst. Oder die Dame, die gerade noch mit jemandem auf slowenisch telefonierte, aber spitz und scharf von sich weist, Slowenin zu sein: man glaubt, in den bitteren Falten in ihrem Gesicht die Mühen der Assimilation zu lesen, die lebenslange Anstrengung, der Minderheit, - und das hieß in der imaginären Sozialhierarchie der allermeisten KärntnerInnen eben auch: der Minderwertigkeit - zu entkommen. Haider zu wählen bedeutet für sie wohl: endgültig auf der richtigen Seite angekommen zu sein. Der sportliche Sportwagenfahrer, der weiß, dass Haider nicht wegen den Nazisprüchen, sondern trotz ihnen gewählt werde, und zwar weil er den Leuten mehr Geld verspricht. Dass das Nulldefizitprogramm der Schwarzblauen Regierung nun weniger Geld für die Leute bedeutet, dafür, meint er, könne doch die arme FPÖ nichts. Warum nicht? Er weiß es nicht so genau, aber dafür kennt er Haider persönlich ganz gut. Wie schätzungsweise jede/r Zehnte hier. Das sind etwa 40.000 gute Freunde von Jörg Haider. Das reicht, um auch ohne die absolute Mehrheit das Bundesland in absolutistischem GottesGnadentum zu regieren. Unbequemen Initiativen wird die Förderung gestrichen, wie dem Universitätskulturzentrum UNIKUM, einem Verein, der den aufschlussreichen (und befolgenswerten) politischen Wanderführer durch das zweisprachige Südkärnten “Kärnten untendurch” herausgab oder dem es gelang mit der “Ersten Kärntner Kurzschlusshandlung”, - einem Supermarkt für kärntenkritische Kunstobjekte in der Klagenfurter Innenstadt - politische Kunst unkonventionell an den Mann und die Frau zu bringen. Oder der Studiobühne Villach. Der designierte neue Leiter hatte Elfriede Jelineks “Lebewohl” auf den Spielplan gesetzt und es wohl überhaupt den blauen Landesfürsten gegenüber an Devotion fehlen lassen: Sie strichen die Subventionen, das Theater musste den Konkurs anmelden. Diejenigen, die noch Geld kriegen, machen den Mund kaum mehr auf. Kulturförderung ist nicht mehr Vergabe von Steuergeldern für künstlerisch oder gesellschaftlich relevante Projekte, sondern gnädiges Almosen aus den Händen von Staatsvertretern, die sich aufspielen wie private Mäzene oder überhaupt gleich: Finanzierung höfischen Prunks wie die Feuerwerkeleien rund um das Renommierprojekt der Seebühne am Wörthersee. In Polizei, Verwaltung und verstaatlichten Betrieben wurde der rote Filz durch blauen ersetzt.

Die Debatte darüber, ob denn Haider nun ein Widergänger der historischen Faschismen (und wenn ja, welcher?) sei, oder etwas ganz neues, ein Poprechter oder Rechtspopulist o.ä. lässt sich von Kärnten aus schnell beantworten: er ist Integrationsfigur für beiderlei Klientel. Sowohl für die alten Nazis, die zwanghaft zu den regionalen Deutsch-Nationalfeiertagen ihre alten Naziorden Gassi führen müssen als auch für die neuen “Feschisten”, die den EU-Beitritt Sloweniens durchaus begrüßen und sich unter Haiders Motto “senza confini” grenzenlose Steigerung von Investitionsmöglichkeiten, Profiten oder doch zumindest des Kurses ihrer sieben Aktien vorstellen. Deutschnationale Kärntentümelei, Antislawismus und Abwehrkampfmythos stehen neben regionalistischen Konzepten der Neuen Rechten, die bestimmte Formen multikultureller Vielfalt ja durchaus begrüßt, solange die Hegemonie gewahrt bleibt und die Vielfalt folkloristischer Ausdruck ethnisch streng segregierter Sozial- oder Regionalstruktur ist. Schließlich ist die mit “Blut geschriebene Grenze” (Landeshymne) zu Jugoslawien im Zuge der EU-Erweiterung weggefallen. Eine Sprache mehr zu beherrschen sollte also nicht mehr länger einen Makel bedeuten, sondern im Gegenteil: eine Schlüsselkompetenz. Ist aber nicht so. So inszeniert sich Haider als Versöhner, der großzügig seinen Slowenen die Hände reicht. Natürlich ist das nur möglich, seit der Zerfall Jugoslawiens und der EU-Beitritt Sloweniens die alte Gleichung SlowenInnen=TitopartisannInnen in den Charts der politischen Phobien etwas auf die unteren Plätze sinken ließ. Zwar sprechen FPÖ-Funktionäre immer noch davon, dass von Jugoslawien aus zweimal im 20. Jahrhundert der Versuch gemacht wurde, Kärnten zu erobern. Der antifaschistische Kampf der Kärntner PartisanInnen gegen den Überfall Nazideutschland auf Jugoslawien, gegen den Krieg mit dem die Wehrmacht ganz Europa überzog, gegen Verschleppung zehntausender SlowenInnen diesseits und jenseits der Grenze, wird weiter frech als Angriff gegen Deutschkärnten gelesen. Gegen die ORF-Dokumentation Gerhard Roths, die einen halbwegs sachlichen Blick auf die PartisanInnen zu werfen versuchte, liefen FPÖ, Heimatdienst und Kärntner Landtag Sturm.

So sehr die Partisanenphobie weiterhin als Herrschaftsmittel kultiviert werden muss, so lächerlich ist es doch inzwischen geworden, die zum Teil sehr katholischen slowenischen KleinbäuerInnen im Grenzgebiet zur kommunistischen Bedrohung hochzurechnen. Zweisprachige Ortstafeln aufzustellen, wie vom Verfassungsgerichtshof gefordert, kommt trotzdem nicht in Frage. Und wenn es nur ist, um stolz klarzustellen, dass in Kärnten Staatsvertrag und Verfassungsgerichterkenntnisse einen Dreck wert sind. Und es wird versucht, das Herzstück erkämpften Minderheitenrechts, das zweisprachige Schulwesen, zu demontieren und den zweisprachigen Radios wird die Förderung gestrichen. Nach 50 Jahren kann von der Erfüllung des Artikel 7 des Österreichischen Staatsvertrags noch immer lange keine Rede sein.

Stattdessen weiterhin Oktoberfeiern und Ulrichsbergaufmärsche als mehr oder weniger offen faschistische oder faschistoide Brauchtumspflege. Natürlich gibt es immer wieder Versuche, die tiefen Schützengräben der Kärntner Geschichte oberflächlich zuzudecken. Deutschkärntner Abwehrkämpfer gegen SHS-Soldaten, Wehrmacht-, Gestapo-, und SS-Männer gegen die Osvobodilna fronta, die Befreiungsfront der Kärntner Partisanen, und gegen slowenische Zivilbevölkerung, Domobranci gegen Titoisten, Deutsch-Kärntner Bourgeoisie gegen slowenisches Kleinbauerntum und Landproletariat: es waren immer auch Klassen- und ideologische Gegensätze, die ethnisch codiert wurden. Und es bleiben gefährliche psychopolitische Fallgruben, solange sie nicht gründlich aufgearbeitet werden, solange nicht die Geschichten von Prezihov Voranc, Janko Messner und Florjan Lipus in jedem Kärntner Schulbuch stehen. Dahin ist noch lange. Derweilen ist es noch möglich, dass in Klagenfurt ein freiheitlicher Kulturstadtrat amtiert, der dem Musilhaus die Gelder für ein Symposium über Florijan Lipus strich, einem der wichtigsten kärntner slowenischen Dichter. Grund dafür: Lipus hatte bei der Eröffnung des Musilhauses die Frechheit besessen, ein paar Worte in der zweiten Kärntner Landessprache zu sprechen... Tragischerweise sind allerdings in Kärnten grundsätzliche Alternativen zur FPÖ-Politik kaum auszumachen.

Die Kärntner SPÖ und ÖVP sind kaum weniger deutschnational, jahrzehntelang geprägt von Ehemaligen Nazis und Leuten, die es sich auf keinen Fall mit den Ehemaligen Nazis verderben wollten. Sie haben Haider zum Landeshauptmann gemacht und so sind Stimmen entschiedener Opposition gegen FPÖ-Politik aus ihren Reihen nur selten zu hören. Das Festprogramm für die Deutschnationalen Heimatfeiern im Oktober - ekelhaft, weil viele der glorreichen Abwehrkämpfer 18 Jahre später glühende Nazis waren und eben als solche auch immer mitgefeiert werden - unterzeichnen traditionell Vertreter von FPÖ, ÖVP und SPÖ.

Die Grünen zeichnen sich durch extreme Ängstlichkeit in Volksgruppenfragen aus: um die 10%-Hürde für den Kärntner Landtag zu schaffen, glauben sie, auf etliche “Heimattreue”, d.h. deutschnationale ÖkowählerInnen angewiesen zu sein. Die slowenischen Wahllisten haben in etlichen Gemeinden im zweisprachigen Gebiet gute Erfolge, von einem minderheitenfreundlichen Wahlrecht, die 10%Hürde für den Landtag ist für sie unüberschreitbar. Die KPÖ hat sich jahrzehntelang durch ihre Distanz zur slowenischen Linken - die galt den StalinistInnen der KP als titoistisch verseucht - selbst marginalisiert.

Und wenn lautstarkes Engagement im Widerstand Schikanen wie Anrufe der Staatspolizei am Arbeitsplatz oder telefonische Drohanrufe nach sich zieht, ist es nicht allzu verwunderlich, wenn nicht mehr als ein paar hundert Leute überhaupt auf die Straße gehen.

So ist in Kärnten fast schon verwirklicht, was die schwarzblaue Regierung gerade österreichweit durchzusetzen versucht, und was durchaus ein Modell für die Rechte in Europa werden könnte: der nationale Schulterschluss. Die Allparteieneinheit, der Opposition als verfolgenswürdige Straftat gilt. Die Ausblendung der verschiedenen ökonomischen, sozialen, politischen Differenzen im Imago der einheitlichen Volksgemeinschaft, für die nur noch ethnische und moralische Differenz zur Konstitution des WIR (der echten, fleißigen, familiengründenden, weißen ÖsterreicherInnen) gelten.

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60 Jahre Befreiung, 50 Jahre Staatsvertrag, 10 Jahre EU-Mitgliedschaft - im so genannten Jubiläumsjahr 2005 erlebt Österreich einen neuerlichen Schub an Geschichtsverzerrung und Chauvinismus, an Opfermythen und diversen rot-weiß-roten Identitätskonstruktionen.
Eine Aktionsplattform tritt gegen die national-konservative Jubelmaschine an
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