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Home » Projekte » Wider das Verdrängen und Vergessen » Modul 4: Kurt Gerron - Gefangen im Paradies

Modul 4: Kurt Gerron - Gefangen im Paradies

Über die propagandistische Inszenierung des KZ Theresienstadt.

Malcolm Clarke und Stuart Sender, 2003, 95 min.

Mögliche Referenten:
Wolfgang Lamsa, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
Eventuell: Zeitzeuge Rudi Gelbard

Der Film zeichnet die Geschichte des jüdischen Schauspielers, Regisseurs und Kabarettisten Kurt Gerron nach. Gerron wurde - selbst im KZ Theresienstadt inhaftiert - auf Befehl von Joseph Goebbels gezwungen, einen Propagandafilm über Theresienstadt zu drehen. Das KZ sollte als unbeschwerter Hort erscheinen, in dem Juden friedlich und unbehelligt zusammenleben. Die Kulisse war bizarr: Mitten im NS-Terror wurde ein Postamt nachgebaut; ein großes Festessen oder ein Fußballspiel sollten die liberale Gesinnung des Führers belegen. Die mitwirkenden KZ-Insassen sollten nicht der NS-Rassenlehre entsprechen, auch das ein Ablenkungsmanöver. Der Film durfte niemals im nationalsozialistischen Deutschland zur Aufführung gelangen, er war ausschließlich zur Sichtung für die Alliierten gedacht. Der Film zeigt den Gewissenskonflikt, in den Gerron, aber auch seine Mitwirkenden gerieten. Familienmitglieder und Mitgefangene von Gerron setzen sich mit dieser Frage auseinander. Darunter der Gitarrist Coco Schumann, Susanne Thaler, die zusammen mit ihrer Mutter Camilla Spira und Gerron aus Amsterdam verschleppt wurde, die Wiener Schauspielerin Silvia Grohs, die Auschwitz überlebte, Maurice Rossel, Beauftragter des Roten Kreuzes, der Theresienstadt besichtigte und Ivan Fric, der Kameramann, Cutter und Tonmeister von Gerrons Film, der als einziger Nichtjude am Projekt beteiligt war.

Kurt Gerron fügte sich, doch noch bevor er den Film fertigstellen konnte, wurde er nach Auschwitz überstellt und ermordet. Von dem Propagandafilm selbst, ”Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“, dessen Titel man lange Zeit für „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ hielt, ist heute nur noch ein 15minütiges Fragment übrig.

Möglicher Vorfilm:
"heimkehr. wien 1941/1996"
institut für evidenzwissenschaft, A 1996, 5 min.

Found Footage aus dem nationalsozialistischen Propagandafilm "Heimkehr", 1941 von der Wien-Film produziert, mit dem berühmten Paula Wessely-Nazimonolog. Der Film zeigt Täter, die sich als Opfer inszenieren, und Völkermörder, die zu Märtyrern werden.

"Die pathostriefende Beschwörung von Heimat und Nation wird in ihre Bruchstücke zerlegt und mit Schrift auf der Leinwand konfrontiert. Der Text verweist auf Struktur und Inszeniertheit der fragmentierten Rede. Plan und Pathos verfremden einander." (Institut für Evidenzwissenschaft)

Plattform
60 Jahre Befreiung, 50 Jahre Staatsvertrag, 10 Jahre EU-Mitgliedschaft - im so genannten Jubiläumsjahr 2005 erlebt Österreich einen neuerlichen Schub an Geschichtsverzerrung und Chauvinismus, an Opfermythen und diversen rot-weiß-roten Identitätskonstruktionen.
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